Zusammenfassung
Bei einem 34jährigen Epileptiker, der während mehr als 10 Jahren im Durchschnitt 300
mg Diphenylhydantoin und 200–300 mg Phenobarbital täglich einnahm, trat ein schwerer
Status epilepticus auf, der sich nur mit hohen Dosen von Diphenylhydantoin und Phenobarbital
intravenös beherrschen ließ. Während dieser Behandlung kam es akut zu einer schweren,
vorwiegend motorischen, distal an den Beinen betonten Polyneuropathie, zugleich mit
Kleinhirnsymptomen. Die Neuropathie bildete sich im Laufe eines Jahres weitgehend
zurück. Die zerebellären Symptome blieben bestehen. Irreversible Kleinhirnschäden
durch Diphenylhydantoin wurden wiederholt beschrieben. Akut und subakut auftretende
schwere Diphenylhydantoin-Polyneuropathien sind weniger bekannt. Sie scheinen eine
gute Rückbildungstendenz nach Absetzen des Medikaments zu haben. Ein antiepileptikabedingter
Folsäuremangel als deren Ursache kommt kaum in Betracht. Es bestehen vielmehr Anhaltspunkte
für eine direkt toxische Schädigung der peripheren Nerven durch Diphenylhydantoin.
Phenobarbital in hohen Dosen hemmt kompetitiv den Abbau von Diphenylhydantoin und
hat sehr wahrscheinlich dadurch bei unserem Patienten zur Entstehung der schweren
Intoxikation und damit der neurologischen Ausfälle beigetragen.
Summary
In a 34-year-old epileptic male who had been treated for more than ten years with
an average of 300 mg diphenylhydantoin and 200–300 mg phenobarbitone daily severe
status epilepticus occurred which could only be controlled with high doses of diphenylhydantoin
and phenobarbitone intravenously. During this treatment a severe mainly motor polyneuropathy
occurred acutely which was more pronounced in the distal parts of the legs, and cerebellar
symptoms were noted at the same time. The neuropathy largely regressed during the
following year whereas the cerebellar symptoms persisted. There is evidence for direct
toxic damage of peripheral nerves due to diphenylhydantoin. Phenobarbitone in high
doses inhibits degradation of diphenylhydantoin competitively. In this patient it
very likely contributed towards the development of severe intoxication leading to
neurological defects.